Dienstag, 11. August 2015

Beerdigung meines Sternenprinzen

Am Anfang sträubte sich in mir alles, mich auch nur Ansatzweise mit der Beerdigung zu beschäftigten. Ein befreundeter Bestatter sollte die Beerdigung von Matheo übernehmen. Nur Ihnen wollten wir unseren Sohn anvertrauen. Dieser Entschluss war schnell beschlossen doch was dann noch auf uns zu kam grenzte fast an Wahnsinn.
 
Nicht schlimm genug, dass wir unseren Sohn verloren hatten. Ich von heut auf morgen nicht mehr Schwanger war. Wir nicht verstanden was passiert war. Es unreal war. Es einfach nicht in unserem Kopf ankam. Nein, wir sollten nun Papierkram und Bürokratischen Unsinn erledigen. Dinge erledigen in einem Rausch des Schocks. Wie soll man hier sinnhafte Entscheidungen treffen?
 
Eins war von Anfang an klar, da gab es mit mir keine Diskussionen. Er sollte normal bestattet werden. Eine Verbrennung stand überhaupt nicht zur Diskussion. Für mich hat dieser Brauch etwas von der Hölle. Ich selbst möchte auch niemals verbrannt werden, wenn ich einmal sterbe. Der Gedanke meinen Sohn bei einer Höllen Hitze verbrennen zu lassen finde ich absolut Horror. Und Horror hatten und haben wir genug.
 
 
Es standen Anrufe bei der Krankenkasse an. Die uns noch einen freudigen Brief schickten der wie folgt lautete:
 
"Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Sohn! Bedenken Sie, dass Ihre Tochter bei heutiger medizinischer Versorgung als Frühchen gute Chancen auf ein Überleben hat."
 
 
Haben die allen ernstes im zweiten Wortlaut IHRE TOCHTER geschrieben? Ja haben Sie. Copy - Paste war wohl der beste Freund dieses Verfassers.
 
Wir sollten Blumen aussuchen, uns überlegen worin Matheo bestattet werden sollte. Zur Auswahl stand ein Weidenkörbchen oder ein Kindersarg. Wir sollten entscheiden Kindergrab ohne Verlängerungsoption oder Reihengrab mit Verlängerungsoption.Wir sollten uns überlegen wie die Trauer Feier gestaltet werden sollte. Schon alleine das Wort Trauer Feier, was hatte das mit Feiern tu tun? Wir sollten mitteilen welche Farbe das Kreuz haben sollte und was auf dem Kreuz stehen sollte. Wir mussten uns überlegen wie wir fast 2.000,00 € Beerdigungskosten zahlen sollten. Bitte was, dachte ich? 2.000,00€? Man bekommt ein Kind und hat Unsummen für die Erstausstattung ausgegeben mit einer Freude die man nicht in Worte fassen kann und dann bist du konfrontiert mit einer Summe für eine Beerdigung deines Babys von der du in deinem schlimmsten Alptraum niemals geträumt hättest. Wir sollten dies und wir sollten das.
 
Jetzt weiß ich, das es richtig war uns all dies entscheiden zu lassen. Und das wir dies auch mussten. Wir hatten beide tierische Angst vor diesem Tag. Er sollte am 24.06.2015 Beerdigt werden. Dies war der Todestag von dem Papa meines Mannes. Wieder Zufall?  Kann man es Zufall nennen wenn Matheo und der Papa meines Mannes beide Mittwoch Abend sterben zu halber Stunde, kann man es Zufall nennen das beide Todesfälle in den Juni fallen, und ist es Zufall das der Tag der Beerdigung von Matheo der Jahrestag von dem Papa meines Mannes ist? Auch hier lautet meine Antwort: Nein.

Matheo war vorher noch bei der Autopsie in Marburg. Der Kinderarzt riet uns dazu, denn auch die Ärzte waren interessiert an den Ergebnissen. Sie sagten mir noch, wie selten so etwas wie bei uns passiert. Das es auch für Sie, in ihrem harten Alltag mit Frühchen eine Rarität sei. Seit ich in der Gruppe der Sternenkinder bin , bin ich nicht mehr der Meinung das es selten passiert und auch nicht das es eine Rarität ist. Aber was sollte der Arzt mir schon anderes, sonst aufbauendes sagen?

Anschließend erhielt ich einen Zettel des Krankenhauses auf welchem ebenfalls sehr nüchtern erklärt wurde das mein Kind über der 500 Gramm Marke liegt und demnach Bestattungspflichtig ist in Deutschland. Zu dem Zeitpunkt kam mir nichts mehr unmöglich vor und so wunderte es mich auch nicht, das es in Deutschland eine Regelung per Gramm zahlen für Neugeborene gab. Na da haben wir ja nochmal Glück gehabt, dass Matheo 850 Gramm hatte und somit darüber viel. Was ein absurder, geschmackloser Zettel. Aber damit werden Sterneneltern knallhart konfrontiert. Das Krankenhaus kann nichts dafür aber unser Staat. Diese Regelung wurde wohl schon gekippt von einer Initiative der Sterneneltern. Traurig das es soweit kommen muss, das verwaiste Eltern für eine Bestattungspflicht ihrer Babys kämpfen. Aber das ist wieder ein anderes Thema....
 
Wir hatten nun für die Beerdigung das Familiengrab gewählt. In diesem Grab liegt meine Oma die ich selber nie kennen lernen durfte, welcher ich aber aus Erzählungen sehr ähnlich sehen soll. Zudem trage ich Ihren Zweitnamen Cornelia. Schnell waren mein Mann und ich uns einig, dass Matheo in kein Kindergrab kommen soll. Ich wollte ihn bei meiner Oma im Grab Beerdigen und ich wollte eine Option nach 12 Jahren das Grab Verlängern zu können. Viele finden das Quatsch aber er wird immer mein Sohn bleiben auch nach 12 Jahren. Und ich möchte diese Option.
 
Wie Roboter erledigten wir alles was von uns verlangt wurde. Mein Mann war in diesen ersten Wochen eine der größten Stützen. Er erledigte so viele Anrufe zu denen ich nicht in der Lage war. Ich konnte nicht diesen furchtbaren Satz sagen: "Guten Tag, ich rufe an, da mein Sohn geboren und gestorben ist."
 
Als der Tag der Beerdigung näher rückte machte sich Panik breit. Ich sprach zu dem Zeitpunkt schon mit den Frauen aus der Sternenkinder Gruppe bei Facebook. Ich war erstaunt wie vielen Frauen und Männern es ähnlich oder gleich erging. Im Krankenhaus dachte ich so oft, ich sei ganz allein und die einzige Frau der Welt der sowas passiert ist. Ich fühlte mich wie eine Außenseiterin, eine Versagerin. Ich hatte es nicht geschafft meinen Sohn zu retten. Ich fühlte mich wie das schwarze Schaf unter weißen. Diese Gruppe mit den ganzen tollen Frauen fing mich auf wie eine schützende Heerde. Ich fühlte mich nicht mehr allein. Ich war und bin unter gleichgesinnten. Ich habe in diesen ersten Tagen eine ganz tolle Frau und auch Sternenmama kennengelernt. Ihr Name ist Melanie. Sie und ich haben beide unseren Sohn verloren. Sie litt, trauerte und wütete genauso wie ich. Sie hatte die Beerdigung schon geschafft und konnte mir sagen was mich erwarten würde. Sie gab mir Kraft und nahm mir die Angst. Noch heute stehe ich in engen Kontakt mit ihr und wir schreiben regelmäßig. Aus der Trauer, Verzweiflung und Hoffnung sind mittlerweile einige neue Freundschaften entstanden.
 
Das schlimmste an dem Tag war eigentlich zu Beginn die weinende Menge. Arbeitskollegen meines Mannes waren gekommen. Die Familie meines Mannes und meine Familie. Alle weinten. Das war kaum zu ertragen.
 
Die Trauerfeier wurde von dem Diakon gehalten, der meinen Mann und mich auch kirchlich getraut hatte. Er kam einen Tag nach Matheos Tod zu uns nach Hause und sprach mit uns. Er erzählte uns, dass auch er vor vielen Jahren seinen Sohn verloren hat. Und das er heute nach 13 Jahren immer noch an ihn denkt und mit ihm spricht. Er hat die Trauerfeier so liebevoll gehalten.
 
Auch unsere befreundeten Bestatter haben den Raum so Liebevoll geschmückt. Allen ging der Tod von Matheo sehr Nahe.
 
 


 
 
Einen Satz, den der Diakon sagte:
 
"Matheo wird nie ein Finanzminister, wird nie ein Arzt oder Bäcker werden. Er ist jetzt ein Engel, denn er war für etwas höheres bestimmt."
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Wir hatten das Lied von Andreas Gabalier gewählt: Amoi seg´ ma uns wieder.
Dieses Lied sagte alles aus, was wir fühlten. Das wir hoffen, das wir uns wieder sehen.
 
Als die Trauerfeier vorüber war, trug mein Mann Matheos Weidenkörbchen zum Grab. Das war der schwerste Gang meines Mannes. Aber er wollte unserem Sohn diese Ehre ehrweisen, das sein Papa ihn zum Grab trägt. Wir ließen 7 Luftballons fliegen. Einer für jeden Monat den Matheo in meinem Bauch war und in unserer Mitte mit uns lebte. Einer davon löste sich schon bevor wir am Grab ankamen. Ich musste lächeln, Matheo saß bestimmt auf seiner Wolke und stibitzte sich einen Ballon viel früher. Mein Mann und ich ließen am Grab dann die restlichen 6 Ballons fliegen und verabschiedeten uns. Dies war der Moment an dem ich ohne meinen Mann zusammen gebrochen wäre. Ich spürte wie die Kraft meinen Körper verließ. Mein Mann stützte mich und hielt mich ganz fest.
 
 
Als das Grab zugeschüttet war gingen wir allein noch einmal zu Matheo um unser Windrad aufzustellen.
 

 
 
 
 
Innerhalb einer Woche wollten wir sein Grab fertig dekorieren. Dies war alles was wir tun konnten um unserer Liebe Ausdruck zu verleihen.
 





 
Im Internet gibt es bei eBay einen Anbieter der wundervolle Kerzen mit Namen versendet. Diese haben wir für Matheo gekauft. Seinen Namen zu lesen war uns so wichtig. Es war für uns ein Ausdruck dafür, das es ihn wirklich gegeben  hat. Denn für viele Menschen existieren Sternenkinder nicht wirklich. Sie waren da aber zu kurz. Kaum einer hat ihn gesehen im Krankenhaus, keiner kam mit Babygeschenken zu uns um seine Ankunft zu feiern wie es normalerweise gewesen wäre. Für viele hat er nie existiert als richtiger Mensch. Aber für uns... und sein Name ist überall Präsent.
 
 
 
 
 
  
 


 Ich werde aussehen, als sei ich tot,
doch es wird nicht wahr sein.

Mein Körper wird hier bleiben wie eine alte verlassene Hülle. Man muss nicht traurig sein wegen solch alter Hüllen …

(Saint Exupery, Der kleine Prinz)






 
 


2 Kommentare:

  1. Liebe Sarah, ich bin tief berührt von deinen Einträgen. Meine Tränen laufen übers Gesicht und durchlebe es quasi alles mit Euch. .Ich fühle mich auch, als würde ich mit Niklas nochmal alles durchleben. Es ist so unendlich traurig. Ihr seit ganz tolle und starke Eltern. Matheo ist stolz auf Euch..Er hat gekämpft Um Euch kennenzulernen und das ihr ihn kennenlernen könnt..Ihr wart bei ihm, als er Flügel bekam. Diese Erinnerung kann euch keiner nehmen.Er wusste er durfte gehen, auch wenn es einem das Herz zerreißt. Matheo und Niklas sitzen auf ihrer Wolke uns passen auf uns auf.
    Ich bin sehr glücklich darüber, dass ich Dich kennenlernte. Du gibst mir Kraft und Mut, vor allem wenn ich wieder in einem Tief stecke. Ich weiß genau, dass Niklas mich zu dir geführt hat
    Matheo erblickte an Niklas ET das Licht der Welt. Das ist ein Zeichen.. Vielen Dank dafür.. Ich bin sehr gerührt von deinen Worten..

    "Sie kamen mit kleinen Füßchen, doch sie haben große Spuren in unseren Herzen hinterlassen."

    Fühl dich gedrückt.
    Kussii Melanie mit Niklas fest im Herzen

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  2. Liebe Melanie,
    vielen Dank für deine lieben Worte. Ich hoffe auch das die beiden nun zusammen sind.
    Fühl dich umarmt.
    :-*

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