Freitag, 2. Dezember 2016

Bauch sagt zu Kopf ja, doch Kopf sagt zu Bauch Nein

und zwischen den Beiden steh ich und weiß nicht....

Es ist sehr lange her seit meinem letzten Post und was soll ich Euch sagen? Es hat sich für mich viel getan aber für Außenstehende nichts.

Ich bin Mitte September in die Reha gefahren. Diese hatte ich kurz nach Matheos Tod beantragt und das ganze hat sich fast ein Jahr hingezogen bis diese Genehmigt wurde. Zuerst wurde der Reha Antrag abgelehnt, was wohl gängig ist bei den Rentenversicherungen. Nach unserem Widerspruch ging dann plötzlich alles ziemlich schnell. Ich durfte in Reha. Die Gefühle dabei waren sehr gemischt. 4 Wochen waren angesetzt und ich hatte keine Ahnung wie ich das überleben sollte.

Seit dem Tod von Matheo habe ich mich sozial sehr zurück gezogen, für meine Verhältnisse. Ich war zwar hin und wieder mal zu sehen auf irgendwelchen Festen und Veranstaltungen, machte Gute Miene zum bösen Spiel aber in mir drin lebte ich nicht mehr wirklich. Ich hatte ja schon oft geschrieben, dass ich keine echte Freude mehr empfinden konnte. Niemand gab mir Halt. Niemand konnte mir das Gefühl zurück geben das ich Lebe. Das dieses Leben lebens- und liebenswert sein kann und auch ist.

Dieser Ort war in mir drin, er war sehr einsam, sehr traurig und dunkel. Keine in meinem Umfeld vermochte es bis hier hin durchzukommen und mir Licht zu bringen. Denn keiner brachte mir echte Empathie entgegen.



Da vielen die Definition des Begriffs Empathie nicht geläufig ist, hier ein Auszug aus Wikipedia:

Empathie bezeichnet die Fähigkeit und Bereitschaft, Empfindungen, Gedanken, Emotionen, Motive und Persönlichkeitsmerkmale einer anderen Person zu erkennen und zu verstehen.
Zur Empathie gehört die Fähigkeit zu angemessenen Reaktionen auf Gefühle anderer Menschen, wie zum Beispiel Mitleid, Trauer, Schmerz. Auch Hilfsbereitschaft aus Mitgefühl gehört zu den Kennzeichen von Empathie.[1] Grundlage der Empathie ist die Selbstwahrnehmung; je offener eine Person für ihre eigenen Emotionen ist, desto besser kann sie auch die Gefühle anderer deuten.[2] Empathie spielt in vielen Wissenschaften und Anwendungsbereichen eine fundamentale Rolle, von der Kriminalistik[3] über die Politikwissenschaft, Psychotherapie, Psychologie, Physiologie, Physiotherapie, Pädagogik, Philosophie, Sprachwissenschaft, Medizin und Psychiatrie bis hin zum Management oder Marketing.


Ich weiß zwar, dass diese Empathie Geschichte generell ein Problem der meisten Menschen ist, weswegen auch so viele Beziehungsunfähige Menschen umherwandeln aber ich war einsam. So Einsam das ich versucht habe alles zu verdrängen und dieses Spiel mit zu spielen. Dieses Spiel heißt: FUNKTIONIEREN. Ich hatte ein Maske aufgesetzt die nichts erahnen ließ. So läuft es doch. Wir tun so als sei schon alles ok. Auf die Frage: Wie geht es dir? - Will doch niemand wirklich eine ehrliche Antwort hören. Stattdessen wird nach dieser Rhetorischen Frage einfach weitergeredet. Und das nicht allzu selten.

Als ich in der Reha ankam, wäre ich am liebsten wieder nach Hause gefahren. Ich hab mich echt gefragt was das ganze dort bringen soll. Als ich dann erfahren habe, dass ich ein Doppelzimmer für ganze 5 Tage mit einer fremden Frau teilen sollte war ich bedient. Ich brach in Tränen aus und wollte nach Hause. Mein Vater der mich zu der Reha gebracht hatte, sagte mal wieder nur den Satz den ich in meinem Leben schon zu oft gehört habe. "Hör auf zu heulen!". Ich kann´s nicht ertragen, ehrlich. Warum soll man immer aufhören zu weinen. Wenn dat nie rauskommt platzt man ja irgendwann.

Meine Zimmernachbarin stellte sich dann aber als eine durchaus bereichernde Zimmernachbarin heraus. Schon am ersten Tag brach ich im Zimmer weinend zusammen und erzählte ihr warum ich dort bin. Und etwas ganz verblüffendes passierte. Sie weinte mit mir. Sie war so ergriffen und weinte einfach mit mir.

Ich lernte in der Reha schnell, das zu Beginn wir alle das selbe Problem hatten. Die Maske die bloß nicht bröckeln durfte. In den ersten Tagen erzählten alle nur, das es Ihnen gar nicht schlecht ginge. Je mehr Zeit verging, desto mehr fielen diese Masken zu Boden.

Insgesamt war ich 5 Wochen in der Reha. Ich hätte noch weitere 3 Wochen bleiben können aber das ging leider wegen unserem Hund nicht, da mein Mann beruflich weg musste im Oktober.

Ich habe in diesen 5 Wochen die Hölle durch gemacht. Alles was passiert ist nochmal erlebt und so viel geredet wie noch nie zuvor in meinem Leben. Neue Erkenntnisse erlangt. Neue Ziele definiert für mein Leben. Ängste offen gelegt. Schwächen akzeptiert. Über meinen Schatten gesprungen - mehr wie einmal, Gewicht reduziert, Wieder angefangen zu Rauchen. Viel Sport gemacht. Viel alleine gewandert. Viel geweint. Und gelacht. Ich habe so viel gelacht wie zuletzt in meinem Studium. Aus tiefsten Herzen, mit Bauchschmerzen, Krämpfen und Tränen in den Augen. So viel haben wir dort gelacht. Denn bei der ganzen Schwere Kost die wir alle zu verarbeiten hatten braucht es auch ein Ventil.

Ich bin nach 5 Wochen heulend aus der Reha Einrichtung gefahren und wollte gar nicht mehr nach Hause. Ich hatte in den 5 Wochen nicht einen Tag Heimweh. Und das gerade bei mir. Das hat mir auch sehr zu denken gegeben, zeigte es mir doch das mich auch mein Zu Hause belastet hat.

Ich habe dort viele Menschen kennengelernt die auch Kinder verloren haben. Sehr früh in der Schwangerschaft, spät in der Schwangerschaft, nach der Geburt, Neugeborenen Tod oder später als die Kinder schon größer waren.

Und was soll ich sagen. Das Leben bei den meisten dieser Menschen war nachdem Erlebnis nicht mehr so wie es mal war.

Als ich zu Hause ankam merkte ich aber das ich mich verändert habe. Ich war wieder mehr ich selbst. Ich fühlte mich wieder. Ich war nicht mehr an dem einsamen Ort in mir drin. Manchmal kehre ich noch zu diesem Ort zurück wenn ich Traurig bin. Gerade jetzt wo bald Weihnachten kommt hatte ich wieder schwere Tage. Ich Vermisse meinen Sohn so unendlich. Und es tut immer noch genauso weh wie am ersten Tag. Aber ich bin fähig diesen Ort zu verlassen. Und fähig wieder Dinge zu tun die mich hochziehen.

Ich habe in der Reha gelernt mehr auf meine Bedürfnisse zu achten und mich von niemanden runterziehen zu lassen. Und ich habe gelernt, dass ich nicht so bin wie mein Umfeld mir in diesem schweren Jahr oft suggeriert hat zu sein. Ich bin einfach eine Mama die ihr Baby viel zu früh gehen lassen musste. Und einfach niemand fähig war mich aufzufangen. Niemand gab mir den Halt den ich brauchte. Auch wenn es unfair klingen mag, sagen die meisten aus meiner Familie sie waren für mich da. Ja, das waren Sie auch alle. Aber sie waren alle selbst am Trauern und kämpfen mit sich selbst. Der Emotionale Halt fehlte. Das Verständnis. Das offene Ohr ohne mich zu beeinflussen und ohne mich unter Druck zu setzen: Fehlten.

Ich will das Leben wieder Lieben. Und ich bin auf einem Guten Weg dorthin. Ich fühle mich langsam wieder frei und nicht gefangen. Und ich will mein Glück nicht von einem Kinderwunsch abhängig machen. Obwohl das gerade sehr schwer ist, da in meinem Umfeld eine nach der anderen Schwanger wird. Aber so ist das Leben.

Ich finde es heuchlerisch, wenn einerseits gesagt wird, dass es das Schlimmste sei, wenn das eigene Kind vor einem stirbt. Und andererseits ist es dann komisch, wenn man nach über einem Jahr immer noch trauert? Das ist nicht irgendwann vorbei, es gibt keinen Schlusspunkt. Es verändert sich und im besten Falle integriert man die schlimmen Geschehnisse in sein Leben.

Dafür braucht es viel Akzeptanz, Trauer ist oft sperrig und egoistisch, und ihre Tiefe macht vielen Menschen Angst.

Aber ich habe Menschen kennengelernt denen dies keine Angst macht. Die es aushalten konnten und mir damit Licht an den dunkelsten Ort gebracht haben an dem ich mich befand und mich dort rausholten.