Mittwoch, 9. September 2015

Tränen

Ich sitze hier auf der Couch und die Tränen Fließen wie schon seit Wochen nicht mehr. Ich kann gar nicht mehr aufhören. Es tut wieder so weh. 

Ich sitze zwischen Fotos von der Schwangerschaft. Fotos von Matheo aus dem Krankenhaus und seiner Spieluhr. Ich möchte ihn einfach zurück haben. Ich will ihn doch nur in meinen Armen halten. 

Es tut so weh. Es ist einfach nicht in Worte zu fassen.

Heute ist es wieder besonders schlimm und ich habe das Gefühl ich steh wieder ganz am Anfang. In den letzten Wochen hat sich gar nichts getan. Es ist nichts besser geworden. Und es tut noch genauso weh. Oft habe ich das Gefühl es tut noch mehr weh. 

Ich will einfach mein Baby im Arm halten. 
Mein Leben und die Welt um mich rum ist so ungerecht. Wie soll man damit leben können? 

Diese Nacht sitze ich mit meinem Rotwein und Matheos Spieluhr im Kerzenschein auf der Couch und weine. Ich weine - bis die Kraft irgendwann fort ist und es aufhört. Die Welle der Trauer und des Verlustes hat mich wieder mal vollkommen unter Wasser gezogen. Ich habe keine Lust mehr gegen sie anzukämpfen. Denn immer wenn es dunkel wird höre ich auf gegen die Wellen zu kämpfen. Ich lasse mich unter Wasser ziehen und mich von der Trauer hin und her reißen. Soll sie doch mit mir machen was sie tun muss. 

Matheo, ich liebe dich.

Deine Mama

Montag, 7. September 2015

Tattoo

Am Freitag hatte ich meinen 2. Tattoo Termin.
 
 
 
Meine Familie ist, glaube ich so langsam, der Meinung ich spinne total. Doch für mich ist es eine Art der Verarbeitung. Das ich nicht meine ganze Trauer ausschließlich in Tattoos verarbeiten kann ist selbst erklärend. Jedoch gibt es einen wichtigen Aspekt dabei für mich. Durch den Adrenalin Ausstoß beim Tätowieren habe ich das Gefühl noch am Leben zu sein. So oft die letzten Wochen habe ich das Gefühl ich lebe nur so vor mich hin und warte. Auf was ich warte weiß ich selbst nicht. Auf ein Wunder? Auf die Ergebnisse der Autopsie? Auf eine neue Schwangerschaft? Auf ein Allheilmittel?
 
   
Keine Ahnung. Aber der Moment in dem ich Tätowiert werde zeigt mir das ich lebe. Der Schmerz und das Adrenalin was ich dabei spüre gibt mir ein Gefühl vom "am leben sein" zurück.
 
Das klingt bescheuert? Das klingt für niemanden bescheuert, der das Gefühl der niederreißenden Trauer kennt. Es ist ein extrem intensives Gefühl die Trauer. Sie reißt dich immer wieder in Ihre tiefen und zieht dich aus dem Leben. Die Trauer nimmt dir dein Lächeln. Und Sie nimmt dir den Verstand. Nicht immer gleich stark aber sehr oft unerwartet.
 
Für mich, habe ich mit meinen beiden Tattoos einen Weg gefunden einen weiteren Schritt ins Leben zurück zu kommen. Und ich bin jedes mal erschrocken von mir selbst, wie wenig Schmerz ich dabei empfinde. Ich könnte, wenn es um den Schmerz geht, ewig so weiter machen, denn es tut mir kaum weh. Ist das so, weil ich so Schmerzen erlitten habe durch den Verlust von Matheo? Kann ich keinen anderen Schmerz mehr spüren?
 
Hier und da, je nach dem an welcher Stelle die Nadel der Maschine ansetzt schließe ich die Augen. Es ist schmerzhaft aber nur kurz. Und ich warte gespannt wann es wieder weh tut. Ich freue mich fast auf die schmerzhaften Stiche der Maschine.
 
Als der Tätowierer über den Brust den letzten Teil des Tattoos stach, sagte er: "ab jetzt wird es nicht angenehmer". Die Brust und der Bereich darüber soll eine der Schmerzhaftesten Stellen zum Tätowieren sein. Ich hatte keine Angst. Es tat weh aber jeder Stich zeigte mir, ich gehe ein Stück zurück aus meinem Koma - Wolken Zustand. Ich merkte und spürte wieder etwas. Er hätte noch ewig so weiter Tätowieren können wenn es darum ging. Ich war fast traurig als wir fertig waren nach einer Stunde.
 
Als ich zu Hause war, merkte ich wie die Anspannung abfiel. Mein Körper hatte das nicht so leicht weggesteckt wie mein Kopf anscheint. Ich war richtig platt danach. Ich sah in den Spiegel und erschreckte mich vor mir selbst. Was hab ich gemacht? Ich war rausgerissen aus meiner Lethargie und realisierte da erst richtig, dass ich nun ein weiteres Tattoo für den Rest meines Lebens hatte. Was war los mit mir? Ich kenne mich selbst nicht mehr. Aber langsam gefällt mir diese neue Person im Spiegel. Denn sie hat sich sehr verändert. Sie ist mutiger geworden und weniger ängstlich. Diese Person im Spiegel tut Dinge die mein altes Ich nie getan hätte. Ob alle das so positiv finden? Ich denke nicht aber das wichtigste ist, dass mein Mann mich liebt so wie ich bin. Und auch er hat sich verändert und befindet sich noch auf seinem Weg. So ein Schicksalsschlag verändert jeden zwangsläufig ob wir wollen oder nicht.
 
Plötzlich schaust du in den Spiegel und weinst weil du dich selbst nicht mehr kennst. Aber man fängt an sich daran zu gewöhnen. Und es ist nicht alles schlecht was sich ändert. Es ändern sich Dinge, die einen schon immer an einem selbst gestört haben. Und das ist durchaus eine positive Sache. Matheo hat mir beigebracht wieder auf mein Herz zu hören und mutig zu sein. Er hat mir auch beigebracht das zu tun was ich will und nicht was andere von mir Erwarten. Mein kleines Baby hat mir soviel beigebracht obwohl es nur so kurz bei mir war. Und ich blicke gespannt auf diese Reise, auf die er seinen Papa und mich geschickt hat.
 
Mein Spruch auf Latein, die Feder die ihn schreibt und die Sterne als Ziel
 
 
Mein Mann und ich, wir wachsen beide ganz eng zusammen. Es wandelt sich und wird alles intensiver. Wir lernen uns beide selbst von einer anderen Seite kennen. Die Seite, die wir Menschen haben, wenn wir mit einem riesigen Verlust kämpfen. Und wir geben uns gegenseitig die Kraft zum weiterleben. Und wir geben dem anderen Raum und Zeit es auf seine eigene Weise zu verarbeiten. Und bei allem ist Matheo bei uns. Nicht Physisch aber Emotional.
 
Nach ein Paar Tagen haben sich noch nicht alle an mein Tattoo gewöhnt aber ich mich selbst. Ich bin verliebt darin. Und auch in die Stelle die es ziert von nun an für alle Tage. Dieses Tattoo drückt aus worauf es im ganzen Leben ankommt. Darauf das nichts selbstverständlich ist und unser Weg zum Ziel oft lang und hart ist. Und manchmal  ist der Weg den wir gehen das Ziel.






"Das Schicksal ereilt uns oft auf den Wegen, die man eingeschlagen hat, um ihm zu entgehen."
(Jean de la Fontaine)





 

Mittwoch, 2. September 2015

Meine Hebamme

Gestern war meine Hebamme noch mal bei mir.
 
Ich habe es lange nicht geschafft mich richtig mit dem Thema Rückbildung auseinander zu setzen.
 
Nach etwas Recherche im Internet fand ich Angebote zu Rückbildungskursen für Verwaiste Mütter. Doch komischerweise gibt es zwar diese ganzen Organisationen die etwas für einen anbieten nur  bekommt man dort kein Feedback. Ich bin mehr der E-Mail Typ und rufe nicht gerne irgendwo an. Doch auf all meine Emails und die Emails von meinem Mann, zu den sogenannten Gruppen für betroffene Eltern, bekamen wir kein Feedback. Das ist ziemlich nervig. Diese Organisationen scheinen alle nicht sonderlich gepflegt zu werden. So ähnlich ist es auch mit den Rückbildungskursen für verwaiste Mütter. Hier sieht man wieder, dass diese Frauen und auch ich, wir werden uns selbst überlassen. Eigentlich traurig, denn gesetzlich haben wir genau so einen Anspruch auf einen "richtigen" Rückbildungskurs und eigentlich sollte das auch kein Thema sein, dafür genug Frauen zu kriegen. Meine Hebamme erzählte mir gestern noch, dass Sie aktuell auch zwei betroffene Frauen hat.
 
Krass, wie viele betroffene es gibt. Aber nie spricht jemand darüber. Diese Frauen sind genauso sich selbst überlassen wie ich. Aber wer suchet der findet schnell gleich gesinnte dank Internet.
 
Meine Hebamme hat sich super viel Zeit für mich genommen und generell über alle nochmal mit mir gesprochen. Auch auf mein Gewicht kamen wir zu sprechen. Sie sagte, dass die Stillhormone den Körper überschwemmen. Auch eine Mama ohne Baby. Diese Stillhormone sorgen dafür, dass der Körper egal was man futtert, Reserven zum stillen bildet. Mein Körper hat wohl nicht mitbekommen das ich nicht stille und niemanden zum stillen habe. Bei dem Gedanken fange ich wieder an zu weinen.
 
Matheo fehlt mir so sehr. Jeden Tag wird es mehr. Wenn es ganz schlimm wird fahre ich zu Matheos Grab. Und fühle mich ihm ganz nah. So nah wie zur Schwangerschaft und so nah als läge er noch in meinem Arm.
 
Sie empfahl mir noch einen Tee. Maisbarthaar Tee. Dieser soll helfen den Stoffwechsel wieder anzukurbeln und den probiere ich seit heute aus. Dieser Tee ist in der Apotheke erhältlich. Schmeckt eigentlich wie jeder Kräuter Tee.
 
Dann zeigte sie mir noch Übungen für den Beckenboden und Übungen um die Bauchmuskulatur.wieder zurück zu bilden. Diese ist nach der Geburt total auseinander geschoben und wird wohl ohne konsequentes Training der Seitenbauchmuskeln nie mehr von allein zusammen rücken. 3 Monate soll ich ausschließlich die Seitenmuskeln trainieren und dann fühlen ob die Mitte des Bauches geschlossen ist. Wenn nicht noch länger trainieren zu Hause. Und erst danach wieder die geraden Bauchmuskeln trainieren.
 
Wahnsinn... Wahnsinn wie sich mein Körper verändert hat und was eine Schwangerschaft für weitreichende Auswirkungen auf den Körper hat. Und wie Hardcore, diese ganzen Sachen durchzustehen ohne sein Baby. Ich würde alle dafür geben Matheo zurück zu holen. Aber das kann ich nicht. Werde ich das je verstehen? und werde ich das je akzeptieren können?
 
Meine Hebamme hat mich sehr bestärkt in dem Denken, dass ich den Traum von einem Baby nicht aufgeben soll. Und das sie es gesund findet das ich an eine 2. Schwangerschaft denke. Sie hat mich emotional sehr bestärkt das ich in allem was ich bisher getan habe das richtige tue. Ich war positiv gestimmt nach dem Gespräch und habe den ganzen Tag nicht mehr geweint.
 
Neuigkeiten bezüglich der Autopsie gibt es immer noch nicht. Aber auch Sie möchte die Ergebnisse gerne wissen sobald Sie da sind.
 
Es heißt weiterhin warten.
 
So langsam fallen auch wieder Organisatorische Sachen an. Mein Mutterschutz endet Mitte Oktober. Und ich bekomme Panik wenn ich nur daran denke. Dann sind 18 Wochen rum.  Mein Leben sollte doch ab jetzt ganz anders aussehen. Unter normalen Umständen wäre Matheo jetzt vielleicht schon geboren gewesen. Der 14.09.2015 ist sein errechneter Entbindungstermin gewesen. Mir graut es vor diesem Tag. Keine Ahnung was ich da tun werde. Ich weiß, es ist nur ein ungefährer Tag aber es hingen an diesem Tag so viele Zukunftsvisionen und Glück.