Dienstag, 22. August 2017

Ziemlich aufgedunsen - erste Hilfe?

Was ich meine mit ziemlich aufgedunsen, lässt Raum für Interpretation.

Was es wirklich bedeutet ist der Zustand meiner Körperlichen Verfassung.

Ich habe gelernt mit dieser beschissenen Trauer zu leben um Matheo. Jawohl. Beschissene Trauer. Sie hat mich zu einem anderen Menschen gemacht. Von so vielen Menschen muss ich mir ständig anhören, dass Sie nicht an mich ran kommen.

Aber wo möchten Sie denn gern ran kommen? An meine Trauer? Wohl kaum.
Letzen Endes wollen Sie doch auch nur das ich wieder Lächle und die fröhliche Sarah bin. Aber die bin ich halt nicht so wie früher. Also leckt mich am Arsch. Ja, ich habe aufgehört mich anzupassen und seitdem geht es mir viel besser. Ich bin wie ich bin und das ist nun mal so. Ich habe mir zwei Jahre lang so viel scheiße anhören müssen und saß nur stumm rum und habe mir das alles gefallen lassen. Vor Trauer unfähig zu kämpfen und unfähig mich selbst und meine Gefühle zu schützen. Meine Gefühle lagen wie nach einem Autounfall auf der Straße, außerhalb meines Körpers und viele trampelten munter darauf rum. Ich sah zu und klatschte noch Beifall.

Keiner, außer vielleicht Betroffene, kennen den Ort wo meine Trauer haust. Und an diesem Ort fließt viel Wasser.

Sinnbildlich steht dieses Wasser an meinem Ort der Trauer für meinen heutigen Titel.

Ich fühle mich aufgedunsen. Ich seh wortwörtlich richtig Scheiße aus und so fühle ich mich auch. Fett, hässlich und aufgedunsen.

Ich weiß nach zwei Tagen, entnervten Grübeln auch warum das so ist. Ich bin wieder sehr traurig innerlich und wütend auf mich selbst. Wütend das ich mir das Trauern mal wieder so lange verboten habe um meinen Sohn. Er fehlt mir so sehr. Und auch sauer weil ich einfach keine Zeit finde Matheo besuchen zu gehen.

Weise Leute sagen mir immer wieder, an dem Ort ist er nicht. Für mich aber schon. An diesem Ort wurde der kleine Körper meines Sohnes in die Erde gelassen. Dort hat mein Mann den kleinen Korb hingetragen und dort haben wir beide Abschied von unserem Sohn genommen. Und deswegen ist er sehr wohl an diesem Ort. Auch wenn seine kleine Seele, so bilde ich es  mir gerne ein, an guten Tagen in Gestalt eines kleinen, weißen Schmetterling an mir vorbeisaust und "Hallo Mama" sagt.

Ich kann grad kaum glauben was ich schreibe. Ich denke die letzten Tage wieder viel darüber nach ob ich in meinem Leben etwas hätte anders machen können um dieses Schicksal zu verhindern. Und ich denke immer noch drüber nach wie ich es besser machen kann. Aber am Ende bleibt immer nur die Frage: Wie zur Hölle soll das gehen? Was kann ich tun?

Mir ist heute total nach einem Tattoo Termin. Ich würde mich gerade am liebsten bei einer der traurigsten Lieder der Welt - gerade mein Lieblingssong von Sons of Anarchy / All along the Watchtower Instrumental völlig zu tätowieren lassen. Einfach nur um mal wieder das Gefühl zu haben, dass ich noch lebe. Ich hatte mich im März erst wieder tätowieren lassen am linken Oberarm. Und nun scheint es wieder so weit zu sein. Meine zweite Wahl der Verarbeitung ist das Tätowiert werden. Schade das es so viel Geld kostet. Danach geht es mir für Monate immer gut. Die Symbole stellen einen weiteren Prozess auf meinem Weg dar. Das letzte  Tattoo ist noch größer als die anderen beiden. Drei wunderschöne Rosen mit einem spitz nach unten zulaufenden Mandala. Diese drei Rosen stehen für die zerstörte Familie die wir hätten sein sollen.

Die Trauer macht mich zu einem Schwamm. Ich stopfe das alles in mich rein bis ich quasi aussehe wie aufgedunsen. Diesen Schwamm muss man feste zerdrücken damit das ganze Wasser rauskommt. Von allein passiert da rein gar nichts. Manchmal mache ich mir selbst Angst. Wie eine Salzsäule kann ich so tun als sei ich völlig normal und überhaupt nicht traurig. Erst letztens habe ich mit einer Kundin gesprochen als rede ich nicht von meinem Kind sondern über das einer entfernten Verwandten. Meinen Sie das, mit nicht an mich ran kommen? Aber das wollten Sie doch jahrelang von mir. Typisch für die Menschen. Erst sollst du dein Leben hinkriegen und aufhören zu weinen aber dann beschweren Sie sich. So formt die Welt einen.

Dann frage ich mich anschließend sehr oft, ob das normal ist, geschweige denn gesund.

Manchmal möchte ich schreien und wild um mich schlagen weil mir dieses ganze Fake und Blabla so auf den Zeiger geht. Ja mein Kind ist tot und Nein ich habe kein Bock so zu tun als sei die Welt rosa und voller Glitzer. Und nebenbei liegt mir dennoch auf dem Boden der Tatsachen zu wenig Glitzer.

Alle Menschen wollen doch nur das Glitzer in Ihrer Welt. Manche haben jedoch zu viel und manche zu wenig davon.

Aufgedunsen sein ist bei mir oft eine Art von Psychischem Stau! Stau auf der Autobahn meines Energieflusses.

Ich halte innerlich an etwas fest was nicht mehr existent ist in dieser Welt. Das kann manchmal der Schmerz, die Schuldgefühle, der Selbsthass, die Selbstzweifel, die Angst, der Hass gegen das Schicksal, die Liebe oder die Trauer zu Matheo sein.

Ein totaler Emotionaler Rückzug. Ich merke das ich wieder in diese Momente des Nichts Fühlens abrutsche und so will ich nicht sein. Nichts zu fühlen ist ein Zustand der mir noch mehr Angst macht als Matheos Tod. In diesem Zustand ist einem alles egal. Sogar man selbst ist sich egal. Robotor ähnlich. Eine Maschine.

Was dagegen am besten hilft ist das zu tun wonach einem am aller wenigsten ist.

So richtig ausheulen, alles niederschreiben, meinen Hund streicheln, einen Entwurf für das nächste Tattoo zeichnen und dann die verklebten Wimpern waschen, aufatmen und merken: Hey ich habe es mal wieder überlebt. Manchmal denk ich mir Schade. Wäre weinen tödlich hätte das ganze doch noch eine Ironie versteckt.

Und danach geht es komischerweise wieder auf unbestimmte Zeit. Der Zaubervorhang geht auf und man ist wieder die Person die die Welt braucht. Oder die ich selbst brauche zum Überleben? Eine Art Superwoman mit Anstrich. Der Anstrich braucht hin und wieder ne neue Lasur. Dann wenn er aufgedunsen ist. Dann wenn das Klima indem sich Superwoman befindet zu Säurehaltig ist und dem Anstrich schadet. Wie etwa schlechte Wetterbedingungen. Die Wetterbedingungen sind in meinem Fall meine Mitmenschen und meine Art dieses kranke Spiel mitzuspielen. Bis dahin wenn ich es merke. Das dauert selbst nach zwei Jahren ungewöhnlich lange. Das Leben ist holprig und auch Superwoman ist unter ihrem Einteiler oft eingeengt und sieht ihre Nähte platzen.

Ich habe gelernt, dass es am aller wichtigsten ist auf das zu hören was einem gerade gut tut. Und wenn es 3 Std. durchheulen ist, dann ist es so. Mein Hund akzeptiert das ohne murren. Daher ist er mein Begleiter der Wahl in diesen Momenten. Bin ich danach wieder albern, stellt er keine Fragen oder denk:  ist Sie jetzt vollkommen Irre?! Pure Akzeptanz der Dinge wie sie eben sind zeichnet unsere Kommunikation aus.

Und deswegen zieht Superwoman den Reißverschluss ihres Einteilers hoch und läuft mit dem Fellnasigen Hund, der genug Madness besitzt für diese Welt, in die nächste Schlacht.

Montag, 21. August 2017

Was wisst Ihr von mir

Ihr glaubt ich hätte es überwunden
hätte neuen Lebensmut gefunden
Was wisst ihr von mir?
Nichts!

Ich lebe nicht ich funktioniere
mein Schmerz ist so gross
nichts wisst ihr von mir, nichts versteht ihr
ihr lacht und scherzt und ich lache mit
denn das erwartet man doch
aber wenn ich allein bin weine ich immer noch
mein Schmerz ist so gross
nichts wisst ihr von mir, nichts versteht ihr
ihr erzählt von euren "kleinen Sorgen"
und ich tu so als hörte ich zu
aber während ihr wisst
dass man all eure Probleme lösen kann
gehe ich zum Grab meines Kindes und zünde Kerzen an.

Mein Schmerz ist so gross
nichts wisst ihr von mir, nichts versteht ihr
ihr sagt die Zeit heilt alle Wunden
und irgendwann wird alles wieder gut sein
doch ich weiss meine Wunden heilt keine Zeit
ich werde nie mehr wie früher sein
mein Schmerz ist so gross
nichts wisst ihr von mir, nichts versteht ihr

ihr vermeidet den Namen meines Kindes
weil ihr denkt dass mir das Kummer bringt
doch er ist sowieso immer in meinen Gedanken
nichts ist mir wichtiger als die Erinnerung an mein Kind
mein Schmerz ist so gross
nichts wisst ihr von mir, nichts versteht ihr
ihr sagt "das Leben geht weiter,
das ist der Lauf der Zeit"

ich weiss nur dass ich leben muss, obwohl ich es nicht will
keiner fragt: bist du dazu bereit?
mein Schmerz ist so gross
nichts wisst ihr von mir, nichts versteht ihr
darum nur eine Bitte
gebt mir keine Ratschläge mehr wie ich leben soll
lasst mich einfach wie ich bin
und wenn ich gehen will so nehmt es hin
mein Schmerz ist so gross
nichts wisst ihr von mir, nichts versteht ihr

- Angelika Cammarata -