Montag, 23. Mai 2016

Wie die Zeit vergeht...

Mein letzter Post ist genau einen Monat her. Es kommt mir jedoch viel länger vor. Ich hege gerade Hoffnung. Denn fast das ganze letzte Jahr ist an mir vorbei gerast. Noch nie vergingen Tage, Wochen und Monate so schnell. Als wollte die Zeit ihren Rhythmus für mich loslassen und mir helfen diese Zeit die ich brauchte so schnell wie möglich zu bringen. Die Zeit die man braucht um seine Wunden zu lecken und Sie zu akzeptieren.


Es war ein Monat voller Hoch und Tiefs. Ich habe das Gefühl als finde ich wieder zurück in den Strom des Lebens aber irgendwas wehrt sich immer noch dagegen. Von allem brauchte ich eine Pause. Vom Schreiben, vom Weinen, vom Nachdenken, vom Grübeln. Ich wollte und will mein Leben wieder leben und auch ein Stück genießen. Doch das ist gar nicht so leicht wie früher.


Besonders schlimm war es an Vatertag und Muttertag. Im Freundeskreis meines Mannes wurde ein Freund Vater und die ganze Gruppe Männer mit denen mein Mann aufgewachsen ist feierte nun ausgelassen Vatertag mit dem 1. Vater den es gab. Jawohl den ersten. Denn das auch mein Mann Vater ist interessiert da niemanden. Mein Mann war sehr ruhig, geknickt und traurig. Und ich wusste gar nicht wieso. Denn ich habe mir noch nie besonders viel aus solchen Tagen gemacht. Jahrestage und Valentinstage etc. waren für mich immer ein Produkt der Konsumgesellschaft. Natürlich ist es schön wenn man an solchen Tagen eine Rose oder was auch immer bekommt aber es hat viel mehr Gewicht für mich wenn das an einem Popel Tag X passiert, dass mein Mann mir sagt wie sehr er mich liebt. Was bedeutet das schon wenn irgendwer vorgibt das man an diesen vorgefertigten Tagen einen auf Heile Welt macht?


Aber an Vatertag wurde es für meinen Mann besonders schwer. Als er mir erzählte was los ist, brach es mir erneut das Herz. Es tut so weh die Person die du liebst so leiden zu sehen ohne das du was daran ändern kannst. Ich kann Matheo nicht zurück holen. Dabei hätte er es so verdient gehabt ein richtiger Papa sein zu dürfen. Dann hätten diese Gefühlskrüppel von Freunden ihn nicht so verletzt.


Als Muttertag war, war es fast ein Tag wie jeder andere. Denn in meinem Herzen bin ich Mama von Matheo. Und ich weiß das er immer bei mir ist. Tief in meinem Herzen. Und da ich, wie gesagt, kein Mensch bin der Wert auf diese Tage legt reicht mir das um nicht in das Loch der Trauer zurück zu fallen.

Zwei Geschichten die mir noch sehr bewegt haben im letzten Monat waren folgende:

1. Geschichte

Sing meinen Song - das Tauschkonzert von Xavier Naidoo kennt denke ich jeder der gerne diese Musik hört. Dieses mal ist Nena dabei. Ich war noch nie ein Fan von Nena. Sie ist laut, quitschig und nervig. Zudem finde ich das Sie nicht singen kann und keine besonders tollen Lieder schreibt. Doch als Sie Ihren Abend in der Sendung hatte, wird ja zu jedem Song der performt wird die betreffende Geschichte dahinter erzählt. Xavier ist bekannt dafür, sich zumeist die Songs der Gäste rauszusuchen die eine private, emotionale Verbindung zu Leben der Künstler haben. So nach dem Motto: schön Salz in die Wunde kippen -  mag man meinen.


Und so war es auch diesmal nicht anders. Er sang den Song - Wunder geschehen. Diesen Song hatte Nena für Ihren 1. Sohn Christopher geschrieben, der nach der Geburt gestorben ist. BOOOOOOM!


Wie ein Blitzschlag traf es mich. Die Nena hatte ihr 1. Baby auch verloren? Und plötzlich hatte ich mit dieser Frau, die mir so unsympathisch war, so viel gemeinsam. Sie verschwand damals von der Bildfläche und war auch lange Zeit nicht mehr öffentlich zu sehen. Plötzlich machte, für mich jedenfalls, ihr ganzes Esoterik Geschwafel Sinn. Auch Sie war eine Frau gewesen die sich mit dem Tod beschäftigen musste. Den Sinn im Leben gesucht hat. Mit diesem Schicksal leben musste. Die Trauer erlebt hat die man kaum beschreiben kann. Und sie macht Mut ohne es zu wissen. Denn Sie hat zwei Kinder danach bekommen.

2. Geschichte



Ich arbeite aktuell ja nur einige Tage die Woche. Und da ich jung bin fragte mich meine Arbeitskollegin in der Kanzlei natürlich letzten Monat, ob ich jetzt immer nur diese Tage kommen wurde. Wahrscheinlich wollte Sie wissen warum ich nicht Vollzeit arbeite. Ich habe mir mittlerweile angewöhnt einigen Menschen meine Geschichte zu erzählen immer wenn mein Bauchgefühl schreit: Ja, ERZÄHL ES! Und bisher habe ich das nie bereut, denn wenn man so offen und ehrlich ist kommt eine Welle an Offenheit zurück.


Meine Arbeitskollegin erzählte mir plötzlich, das auch Sie ihr 1. Baby, einen Sohn ( Warum zur Hölle sind es immer Jungs die sterben in den Geschichten die  ich zu hören bekomme?), verloren hat. Sie war damals in der 20. Woche als ihr gesagt wurde das ihr Baby nicht mehr lebt. Warum weiß Sie bis heute nicht. Auch Sie musste ihr Baby normal gebären. BOOOOM!


Wieder traf es mich wie ein Blitzschlag. Als ich vor fast einem Jahr aus dem Krankenhaus raus bin, total desillusioniert, dachte ich sei die einzige Frau der so etwas passiert. Ich kannte niemanden. Aber plötzlich tauchen ständig Menschen in meinem Leben auf denen es ähnlich erging. Und auch meine Arbeitskollegin bekam danach 2 Söhne. Und Sie war damals schon über 30 und machte mir Mut, da ich mir so einen Druck mache da ich nächstes Jahr 30 werde.


Viele Freunde haben mich im Stich gelassen aber so viele tolle neue Menschen in meinem Leben machen Mut, spenden Kraft und haben mein Leben beflügelt. Auch ich habe mich nach Matheos Tod verloren. Durch unsere Fellnase Sunny finde ich mich langsam wieder. Dieser Hund zeigt mir jeden Tag wie sehr ich mich verloren habe und wie wichtig es ist das ich meine Stärke zurück erobere damit es mir wieder gut geht. Hunde sind die besten Seelenklempner die es gibt. Es muss einen Grund haben warum man Sie als den besten Freund des Menschen seit Jahrhunderten beschreibt. Mal abgesehen von dem ganzen Tier leid das existiert. Ich bin froh das dieser Hund in unserem Leben gelandet ist und es so dermaßen auf den Kopf gestellt hat. Andere mögen sagen: Sarah, es ist NUR ein Hund.


Ja, das mag sein. Aber NUR dieser Hund gibt mir Lebensfreude. NUR ein Hund bringt mich zum lachen. NUR ein Hund war und ist immer da, ob es mir gut oder schlecht geht neben meinem Mann. Und NUR ein Hund bleibt mir im Sturme treu, einige Menschen nicht mal im Winde. Und NUR dieser Hund ist in der Lage mir jeden Tag zu zeigen wie meine Stimmung ist, denn NUR ein Hund reagiert so empfindlich auf kleinste Veränderungen meiner Stimmung und Körperenergie. Und NUR dieser Hund gibt meine Mann und mir so viel Liebe zurück, das er Wert ist das andere ihn belächeln.

Unser Sunnyboy

In 2 Monaten, nach Matheos Geburtstag fahren wir mit Sunny in den Urlaub nach Italien. Wir freuen uns so auf Sonne, Strand und Meer. Brian geht am Stock. Seit letztes Jahr Thailand im April hat er keine richtigen Urlaub mehr gehabt. Wir freuen uns auf gutes Essen, Zeit zu zweit und Erholung. Wir fahren durch die Schweiz und so sehe ich meine geliebte Schweiz wieder. Die Berge, die Landschaft und die Ruhe. 

Unser Hundetrainer hat am Wochenende etwas ganz tolles gesagt: "Sunny ist eure Familie, er gehört zu eurer Familie!"

Wir sind oft auf dem Hundeplatz an den Wochenenden und das tut so gut. Einen Hund zu haben ist in dieser Gesellschaft, gerade Europa und Industriestaaten wo nichts mehr beständig ist ein Geschenk. Und Sunny hat der Himmel geschickt.

Nächsten Monat hat Matheo Geburtstag. Mein Gefühl ist fast neutral. Ich habe keine Angst vor dem Tag aber der Gedanke er könnte jetzt ein Jahr alt sein schmerzt. Wir werden versuchen nicht in Selbstmitleid zu versinken aber wir werde diesen Tag mit den Gedanken bei Matheo verbringen und versuchen für ihn zu lachen, denn sein Geburtstag ruft auch schöne Gedanken hervor. An diesem Tag wurde ein Engel geboren.


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Dreifach ist der Schritt der Zeit: Zögernd kommt die Zukunft hergezogen, Pfeilschnell ist das Jetzt entflogen, Ewig still steht die Vergangenheit.
(Friedrich Schiller, Sprüche des Confuzius)