Samstag, 12. Dezember 2015

Zeit , nur für Dich!

Lieber Matheo,

Heute hat es mal nicht geregnet und ich hatte Gelegenheit zu deinem Grab zu kommen und alles wieder her zurichten. 

Das Wetter und die Jahreszeit hinterlassen immer ihre Spuren auf deinen Erdenbettchen. Manchmal sieht es schlimm und unordentlich aus. 

Auch die grandiose Friedhofsverwaltung ließ es sich nicht nehmen, mit dem Laubbläser alle Gräber inklusive deins mit Laub zu bedecken. Eigentlich sollte nur der Weg frei werden. Aber alle Gräber auf deiner Seite waren unter einem Haufen Laub begraben. Das war nicht das erste Mal. 

Ich Ärger mich nicht mehr darüber. Was eine Zeitverschwendung wäre es, wenn ich an deinem Erdenbettchen bin und mich darüber aufrege. 

Dein Grab gefällt mir richtig gut, das war nicht immer so. Es sollte alles perfekt sein für dich. 

Ich habe fast eine Stunde alles ordentlich gemacht. Und dir eine neue Kerze angezündet. 



Du musst immer Licht haben sonst kann ich nicht gut schlafen. 

Langsam bekomme ich Angst vor Weihnachten. Ohne dich. Wie soll das gehen? Es treibt mir die Tränen in die Augen. 

Ich stehe vor deinem Grab und ich spüre Zufriedenheit. Zufrieden darüber das dein bettchen schön aussieht. 

Ich habe die letzten Tage wieder viel geweint. Auch weil Sunny, unser Heim Hund so schwierig ist. Er ist ein roh Diamant. Aber so brav dabei. Ich habe gezweifelt ob der Hund richtig für uns ist aber als ich eben mit Sunny spielte lag eine weiße Feder neben ihm. Im Haus. 

Warst du das? Soll ich nicht an ihm zweifeln? Ist er doch der richtige Hund für uns? 

Sunny schnüffelte an der Feder. Ich bekam Gänsehaut. Und Tränen schossen mir in die Augen. 

Heute ruhen meine Gedanken bei dir, ich fühle mich dir so nah Matheo. Das macht mich glücklich. 

Ich genieße diesen Tag mit diesem warmen Gefühl. 

Ich vermisse dich. 
Deine Mama 

Donnerstag, 10. Dezember 2015

Nicht mehr ich, wer bin ich?

Jeden Tag merke ich das ich ein anderer Mensch geworden bin.

Seit Matheo gestorben ist, ist  nichts mehr wie es mal. Ich kann mich sehr schlecht konzentrieren auf Dinge die mich nicht interessieren. Und mich interessieren seitdem viele Dinge nicht  mehr die mir früher wichtig waren.

Bestimmte Veranstaltungen lösen keine Freude mehr bei mir aus. Ich will nur weg. Meinem Wunsch nach Zerstreutheit nach gehen. Einfach das tun worauf ich gerade Lust habe.

Ich habe in den letzten Monaten einige Entscheidungen getroffen wo ich einfach nicht ich war. So einen ähnlichen Zustand hatte ich bei der Sache mit dem Tattoo. Am Ende weiß ich nicht mehr was mich dazu bewegt hat. Der Verstand kommt oft erst zurück wenn es schon fast zu spät ist. Jedoch habe ich die Tattoos nie bereut. Andere Dinge schon, weil sie im ersten Moment nicht leicht erscheinen und auch nicht sind. Sobald etwas kompliziert wird, werfe ich die Flinte ins Korn. Das war nie so. Ist es aber jetzt.

Das macht mich oft fertig. Oder mache ich mich einfach selbst fertig? Meine ich einfach nur ich entscheide wahllos und unüberlegt? Oder kann ich mich irgendwie und irgendwo einfach nicht an die neue Sarah gewöhnen?

Wer ist diese neue Sarah eigentlich? Sie macht mir oft Angst, denn man kann sie nie einschätzen. Mal ist Sie gut drauf, mal weint Sie grundlos, mal will sie etwas mit einer Sturen Bestimmtheit und am nächsten Tag weint sie, weil sie die vorherige Entscheidung in Frage stellt.

Dieser Schicksalsschlag hat mein ganzes Denken, meine Werte und mein Verstand durcheinander gebracht. Was ist wichtig und was unwichtig? Was richtig und was ist falsch? Alles versucht sich neu zu sortieren. Auch die alte Sarah versucht sich neu zu Orientieren. Und sehr oft gefällt ihr die neue Sarah gar nicht. Aber sie ist da und sie will einfach nicht fort gehen.

Man kennt sich selbst 28 Jahre und plötzlich siehst du in den Spiegel und fragst das Spiegelbild: "Verdammt, was ist nur dieser selbstbewussten und lebenslustigen Frau passiert?"

Diese neue Frau sieht matt, blass und unsicher aus. Es ist als wäre ein frisches Küken aus dem Ei geschlüpft und lernt alles von vorne. Aber erinnert sich an das Leben davor. Dann versucht das Küken mit riesen Schritten an den Erfahrungen von vorher anzuknüpfen und scheitert. Wieso scheitert es ständig?

Wird es irgendwann wieder so sein, dass diese Frau der so etwas schreckliches passiert ist so lebensfroh sein kann wie früher?

Was hilft ihr dabei?

Helfen tun dieser Frau positive Menschen, die sie einfach mit reißen mit ihrem positivem Denken.

Man kann sich dagegen nicht wehren, es steckt an. Aber aus eigener Kraft gibt es dieses Denken nicht. Noch nicht.



Wenn du kämpfst, gegen was auch immer es sei, musst du dich selber vernichten, denn ein Teil davon steckt in dir selbst, mag er auch noch so gering sein.

Antoine de Saint-Exupéry, Die Stadt in der Wüste

Samstag, 5. Dezember 2015

Freundin auf schweren Wegen

Ich habe schon oft erwähnt, das ich durch das schreckliche Schicksal viele tolle neue Freundinnen gewonnen habe. 

Viele Mütter denen es ähnlich, genauso oder schlimmer geht. 

Zu allen ist eine tiefe, wahre Freundschaft entstanden wie ich es vorher nicht kannte. 

Wir teilen fast jeden Tag miteinander. Wir telefonieren oder schreiben. Reden auch über normale Dinge des Alltags. Und sehr oft über unsere Sternenkinder. Denn bei allem was mit der Zeit geschieht, vergessen wir sie nie. 

Jede von uns hat Rückschläge und fällt zurück in die Trauer. Die Abstände werden kürzer und die Dauer sinkt in der sie Anhält. Aber sie ist nie weg. Sie kann so plötzlich kommen, dass man eine Party verlassen muss, plötzlich nicht mehr in der Lage ist ein Gespräch zu führen oder einfach weinend davon rennt. 

Die meisten können das Elend nicht mehr ertragen von Verwandten und Bekannten. Jetzt soll doch mal gut sein. 

Unter meinen neuen, sehr liebgewonnenen Freundinnen zählt das funktionieren nicht. Sie fangen mich auf wenn ich in das Loch Falle. Egal wann und egal welche Uhrzeit. Sie hören mir immer wieder zu. Geben mir immer wieder Mut. Und bringen mich immer zum lachen, egal wie schlimm es vor 15 Minuten noch war. 

Man kann fast sagen sie sind mein Sicherheitsnetz. Und ich Ihres. 

Mein Mann sagt oft, er beneidet mich um die Gruppe mit den Sternenmamas. Für Männer findet sich sowas im Internet nicht leicht. Daher lasse ich ihn oft daran teilhaben, wenn er wieder rüber schaut über was ich mit den Mädels schreibe. 

Er hat jedoch auch einige Bekannte und sogar Arbeitskollegen die auch ein Kind verloren haben. Es ist erstaunlich wie vielen Paaren es so geht. Ein Arbeitskollege sagte diese Woche zu ihm: "Nur wir können verstehen, wie sich das anfühlt. Und ich weiß genau, wie du dich fühlst und was ihr durchmacht." 

Hoffnung gibt uns immer eines: alle die ein Kind verloren haben, wurden irgendwann mit Kindern belohnt. 

Ich weiß nicht was ich und wie ich heute ohne diese Mütter, Frauen und Freundinnen wäre. 

Sie haben mir mit meinem Ehemann und meiner Mutter zusammen neuen Lebensmut und Kraft gegeben. Dafür bin ich so dankbar. 

Ich bekomme so viel von Ihnen zurück. 

Es ist lustig. Wir senden oft Pakete hin und her. Und schenken uns gegenseitig Dinge die der anderen helfen. Denn leider wohnen wir alle weit auseinander. Mindestens 300 km und das ist meist das kürzeste. 

Neulich bekam ich von Melanie ein ganz tolles Paket. Mit Lichtern für Matheos Grab.

Ich danke all diesen wunderbaren Frauen!