Dienstag, 23. Februar 2016

8 Monate, 1 Woche und 6 Tage

8 Monate, 1 Woche und 6 Tage. Solange ist Matheo schon nicht mehr bei uns.

Das sind 6.152,01 Stunden. In Worten sechstausendeinhundertzweiundfünfzig Stunden.



Manchmal frage ich mich was in diesen ganzen Stunden gemacht habe. Jede Woche zieht von dannen ohne das irgendwas besonderes passiert. Die Zeit läuft einfach ab. Tag für Tag. Die Sanduhr läuft und läuft.

Mir wurde diese Woche wieder bewusst, wie oft ich versuche das alles  zu verdrängen. Oft geht es mir besser. Und ich rede kaum noch über das, was letzten Sommer passiert ist. Doch wenn ich mit meiner Mama zusammen bin oder Freunden taucht Matheo immer wieder auf. Und auch das es nicht vorbei ist merke ich wieder und wieder. Also bitte, ich kann mir selbst nichts vormachen. Auch wenn ich das gerne oft versuche. So einfach scheint es nicht zu sein.

Heute war ich mit meiner Mama unterwegs und urplötzlich fange ich an zu weinen. Keine Ahnung wieso. Bei ihr traue ich mich einfach die Trauer zuzulassen. Sie schafft es immer mir die Angst zu nehmen. Und sie zeigt mir immer wieder wie wichtig es ist darüber zu reden. Immer und immer wieder. Ich will diesen Schmerz einfach nicht mehr fühlen, deswegen fahre ich oft meinen Verdrängungstrip. Aber die Trauer baut eine ziemliche Druckwelle auf. Und wenn man den Druck nicht ab und an per Tränen, Sprechen oder ähnliches rauslässt platzt man. Oder wird Aggressiv.

Ist es wirklich schon 8 Monate her? Matheo wäre jetzt schon 8 Monate alt? Und wieder, bei dem Gedanken rollen mir dicke Tränen über das Gesicht. Ich verstehe das immer noch alles nicht. Wird man das jemals verstehen?

Ich kenne mittlerweile so viele Frauen bei denen das Thema Kinderwunsch mit Hürden, Problemen, Schicksälen und Trauer verbunden ist. Erst vor kurzem hat eine Freundin von mir ihr Baby in einer extrem späten Schwangerschaftswoche Tot zur Welt bringen müssen. Es sollte ihr Folgewunder sein. Der Grund? Wohl die Nabelschnur. Und aus ist der Traum. Einfach so.

Das hat mich sehr weit wieder zurückgeworfen in meiner Trauer. Nie hab ich gedacht, dass einem Menschen dieses Schicksal zweimal ereilt. Und nun, sitzt meine Freundin da und ist genauso Tapfer wie beim ersten mal als das "Arschloch Schicksal" zuschlug. Ich hab den ganzen Abend um die Tochter meiner Freundin geweint. Es tat mir so leid. Das ist doch nicht fair.

8 Monate. Was wird in 4 Monaten sein? Wenn Matheo seinen 1. Geburtstag feiern sollte? Den Begriff "Sternengeburtstag" kann ich nicht ausstehen. Was soll das sein? Ein Stern der ne Party feiert, ohne seine Eltern? Ja auch ich hoffe das es irgendwas nach dem hier gibt. Aber an Sternenpartys glaube ich nun wirklich nicht. Alter und Zeit ist Irdisch. Da wo Matheo ist gibt es keine Zeit und somit auch kein Alter. Warum sollte er dort also Geburtstag feiern? Ich stelle mir das eher so vor, dass man ein Licht ist welches ewig umher saust. Aber ein Licht feiert keine Party. Es ist die Party.

Hättet ihr Lust, im Himmel angekommen, die selbe Art von Leben zu führen wie hier unten? Das macht doch kein Spaß. Unendlich lang? Für immer gleich? Dann gibt es dort auch Politiker, Terroristen und Regeln? Nö.

Noch nie kam mir der Winter so schnell vor. Ich habe den Winter nie gemocht. Dunkle Tage und die dunkle Stimmung die er mit bringt. Ich glaube das er mir dieses mal gar nicht so dunkel vor kam und so schnell vorbei ging liegt an meiner Fellnase Sunny. Wir sind so viel draußen. So viel draußen war ich noch nie im Winter. Und nun gehen wir Spazieren abends und es bleibt länger hell. Wieder merke ich, dass ich eigentlich nix so richtig mit kriege. Es wird Frühling? Wo war der Winter? Und achja, vor 8 Monaten war ja Sommer. Wieder nix mitgekriegt.

Sunny war auch verbotenerweise mit mir auf dem Friedhof bei Matheo. Ein dickes Schild am Eingang erinnerte mich mit einer Lehrer Stimme: Zutritt für Hunde verboten. Mein Kopf so: Da war was auf dem Schild aber was? Keine Ahnung. Nix mitgekriegt. Also: Sunny kommt mit.

Ich muss gestehen wir sind nicht Samstags mittags, wo jeder wohl erzogene Rentner in Lackschühchen seinen wöchentlichen Kerzen-Erneuerung-Gang macht auf den Friedhof gegangen. Sunny und ich waren spät abends im dunkeln auf dem Friedhof. An meinem Hund konnte ich sofort erkennen wie unwohl er sich fühlte. Er roch den Tod. Er schaute mich nur an und verstand nicht was wir da sollten.Vor Matheos Grab haben wir angehalten und Sunny setzte sich brav vor das Grab.

Momentan weine ich wieder jedes mal wenn ich vor dem Grab stehe. Es ist noch immer so unreal. Und manchmal kommt ein Gefühl auf, als sei das alles nie passiert. Soweit weg scheint es zu sein. 8 Monate. Das sind 6.152,01 Stunden. Das ist verdammt lange. Aber nicht lange genug. Und ich denke es werden nie genug Stunden vergehen um den Schmerz zu lindern.


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